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World Cleanup Day — Zeit, über die Folgen unseres Konsums nachzudenken

Am 20. September 2025 ist World Cleanup Day! Die perfekte Gelegenheit, sich mit Millionen weltweit für eine saubere Umwelt einzusetzen. Noch besser: Machen Sie daraus ein Teamevent mit Ihrer Firma!

Als Menschen sollten wir uns fragen: Wollen wir Teil eines gutartigen Tumors sein, der mit der Erde koexistiert — oder eines bösartigen, der seinen Wirt so lange konsumiert, bis nichts mehr übrig ist?

Es gibt unzählige faszinierende und positive Seiten an uns Menschen. Und trotzdem lässt mich der Gedanke nicht los, dass wir uns oft wie ein riesiger Krebstumor auf dem Planeten verhalten. Die Analogie ist nicht neu — und auch nicht weit hergeholt. In der Onkologie spricht man gern vom Auto, bei dem Gas und Bremse versagen. Global betrachtet bauen wir weiter Strukturen, verteilen uns in die Fläche, asphaltieren, fördern und verbrennen Fossiles, um noch weiter und schneller zu kommen. Wir kaufen chemische Reiniger, damit es bei uns daheim sauber aussieht — während sie draußen das Ökosystem schleichend schädigen. Das alles treibt das Artensterben voran — bis hin zu dem Punkt, an dem am Ende auch unser eigenes System kollabiert, weil wir unser kollektives Jagen-und-Sammeln nicht mehr im Griff haben.

Auch beim Krebs „gewinnt“ der bösartige Tumor vermeintlich, indem er den Körper übernimmt — nur um dann mit ihm zu sterben. Niemand gewinnt. Gutartige Tumore hingegen wachsen, ohne das Gesamtsystem zu zerstören. Zerstörung versus Koexistenz — genau das spiegelt unser Umweltverhalten wider. Es liegt an uns, wofür wir uns entscheiden.

Tag 1 — World Cleanup Day

Dieses Jahr habe ich beim World Cleanup Day mitgemacht — über das Volunteer-Programm meiner Firma. Acht Stunden lang Frankfurt sauber gemacht. Kein Foto, kein Corporate-LinkedIn-Gewäsch — nur Flow und viele Momente der Ernüchterung. Ganz ehrlich: Jede Büro-Person sollte das einmal im Jahr machen. Statt die in Plastik eingeschweißte To-go-Schale zu bestellen, um drei Minuten zwischen Calls zu sparen.

Geh ans Mainufer, sammle Kippen — oder das, was Leute beim „Fahren im rollenden Wohnzimmer“ aus dem Fenster werfen. Als ob das Verbrennen von Fossilem nicht schon bequem genug wäre. Der Müll, den wir produzieren, ist Teil dieses bösartigen Wachstums. Der Müll, den wir einsammeln, schenkt uns einen Moment der Reflexion — wie viel Energie in Produktion, Sammlung und Recycling fließt. Für mich war es ein Tag mit gemischten Gefühlen: Sonne, nette Worte von Passant:innen — und doch haben wir nur die Spitze unseres historischen Müllbergs gesehen. Stell dir mal vor, wie hoch der Stapel wäre, den du in deinem Leben produziert hast.

Die gute Nachricht: Es liegt in unserer Hand, das zu ändern.

Kleiner DE-Realitätscheck zwischendurch: Wir sind Weltmeister im Mülltrennen („Gelber Sack“, „Papier“, „Altglas“) — und werfen dann die Pfandflasche daneben. Die Kampagne „Pfand gehört daneben“ hat offenbar noch nicht alle erreicht.

Tag 2 — Die wachsenden Särge aus Krempel, in denen wir wohnen

Samstag. Zeit, den #WorldCleanupDay nach Hause zu holen. Vor Kurzem bin ich über den Begriff der generationalen Unordnung gestolpert — Dinge, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Die 100 Tassen oder Handtücher, die du erbst und zu deinen 30 bestehenden hinzufügst. Das Gegenteil von intentionalem Konsum. Parallel dazu wächst die Wohnfläche pro Person — mehr Miete, mehr Weg, mehr Putzen, mehr Lebenszeit, mehr Fläche, die nach Dingen schreit, die dich an diesen Ort fesseln.

Wohnfläche ist das eine — aber das Self-Storage (oder der gute alte Keller) ist die Powerbank deines Haushalts. Aus den Augen, aus dem Sinn. Platz schaffen für Neues — eine Kofferraumladung nach der anderen. „Sperrmüll regelt schon.“

Klingt alles sehr nach einem Tumor, der über Generationen wächst und unsere Handlungsfähigkeit blockiert — indem er nicht nur Raum frisst, sondern auch Kopf. Und die vermeintliche Therapie lautet: noch mehr Konsum.

Meine Theorie: Wer im Kreisel des „Besitz-Managements“ feststeckt, sehnt sich immer stärker nach Zeit weg von Zuhause — raus aus der Kram-Verwaltung, rein ins Vollservice-Paket (Hotel, Kreuzfahrt — die Konsum-Särge der Ozeane). Aus „Escaping“ wird schnell „Tourismus“: noch ein Sektor, der wächst, weil wir uns erholen müssen — von dem, was wir kaufen.

Mit 10 habe ich meine Familie angefleht, meine 5 Playmobil-Kisten aufzuheben — „für später, für die eigenen Kinder“.

Ein Haufen Playmobil-Figuren Wieviel Spielzeug braucht ein Kind für maximales Glück? 3 oder 300?

Rational betrachtet: Klar, Spielzeug bedeutete damals alles. Dinge, die wir selbst zusammenbauen (Playmobil, LEGO, Fischer Technik — oder später: Sims, GTA) tragen oft mehr Bedeutung in sich (IKEA-Effekt). Aber: Vier Generationen hätten in den letzten 20 Jahren mit meinem Spielzeug spielen können. Nur weil ich meine Kisten hortete, wurden anderswo neue produziert — Werbung, Gruppendruck und Wunschlisten sei Dank. Mein Egoismus = 4× mehr Müll, indirekt.

Manchmal spielen Kinder mit gar nichts — weil es zu viele Optionen gibt.“ — Sarah Davis, Autorin von „Modern Manners for Moms and Dads“

Es gäbe noch viele Beispiele: Das durchschnittliche Auto steht 23 Stunden am Tag — und wenn es fährt, sitzen 1,3 von 5 möglichen Personen drin. Ineffizienzen, am Leben gehalten durch Bequemlichkeit, fehlende Anreize und mangelnde Auseinandersetzung mit den wahren Kosten.

Erst konsumieren — später managen. Kaufen dauert Minuten, aber niemand an der Kasse erklärt dir die wahren Betriebs- und Aufräumkosten über den Lebenszyklus.

Ich merke das jedes Mal, wenn ich etwas auf Kleinanzeigen (ehem. eBay Kleinanzeigen) stelle. Es hat drei Tage gedauert, ~80% des Playmobil zu sortieren, aufzubauen und sinnvoll zu bündeln.

Das Ganze ist „Type-2-Fun“: macht vor allem am Peak-End Spaß. Puzzles, lange Radtouren — du kennst das.

Dinge verkaufen

Infos raussuchen, Anzeige schreiben, verhandeln, Deal closen. Ich habe mir einen Custom GPT gebaut, der meine Kleinanzeigen automatisiert, konsistent und mit einem Schuss Humor schreibt — spart Zeit und Nerven: Verkaufsassistent für Kleinanzeigen.

Am Ende bekommst du nur einen Bruchteil des Neupreises — und trotzdem fühlt es sich befreiend an. Was ist schöner, als wenn jemand die Geschichte eines Gegenstands weiterträgt — und dir dafür eine 5‑Sterne-Bewertung dalässt?

Und: In 50 Transaktionen entsteht oft mindestens eine neue Bekanntschaft. Je nischiger der Gegenstand, desto spannender das Gespräch. Eine Freundschaft hielt über ein Jahr — nur, weil ich mal ein Telefon gekauft habe. Serendipity gibt’s nicht nur im Späti.

Iteratives Entsorgen #CarryShitOlympics

Ich habe den Tag am Wertstoffhof beendet. 30 Minuten in der Autoschlange (80% hatten weniger geladen als mein Rad) — und dann knapp einen Kubikmeter losgeworden.

Mein Reichweiten-Rekord mit dem Dreirad-Lasti (fährt wie ein Panzer, man kann Menschen mitnehmen) sind 70 km — beim Umzug von Den Haag nach Utrecht. Danach habe ich mein neues Zuhause noch mehr geschätzt.

200 km auf dem Aero-Renner fahren ist sportlich — aber was ist mit derselben Distanz auf einem vollbeladenen Dreirad ohne E‑Antrieb?

Lasst uns über zeitgemäßen statt kompetitiven Sport reden: Für #Olympia2028 oder #TourDeFrance / #LaVuelta schlage ich offiziell die #CarryShitOlympics (alternativ: #Schleppmeisterschaften) vor. Einer der wenigen ehrlichen Wege, 1) die Folgen unseres Konsums sichtbar zu machen und 2) ihn abzubauen.

In die Produktion fließt enorm viel Energie — warum nicht das Produktleben würdevoll beenden: statt noch mehr Energie zu verbrennen, einfach mal ein bisschen eigene Muskelenergie investieren.

Ähnlich wie beim Bestattungsfahrrad: ein Sarg auf dem Lastenrad für eine würdige, leise, lokale letzte Reise. Warum nach dem Tod noch Emissionen verursachen?

Tag 3 — Mehr Perspektiven

Ich brauchte eine Pause vom Playmobil. Am Ende fühlte ich mich selbst wie eine Playmobil-Figur — ein NPC aus Plastik, der Mini-Geschirr und Mini-Blumen den ganzen Tag sortiert.

Also ein Tagesausflug nach Utrecht. Etwas Kayak auf den Grachten, runterkommen. Was sonst.

Eine Flaschenpost? Wie aufregend! Naja …

Die Erlebnisse vom Vortag holten mich ein, als ich intuitiv anfing, Plastikflaschen aus dem Wasser zu fischen (und — eine Glühbirne?). In NL gibt’s 15 Cent Pfand — in DE 25 Cent. Es tut doppelt weh, wenn sowas im Wasser landet. Kostenloses Geld, einfach weggeworfen. Werde ich nie verstehen. Mein bizarrster Fund in Utrecht war mal eine Makrele in Plastik. Zählt das schon als Kunst?

Schön ist: Das Bewusstsein wächst — unter anderem durch YouTuber wie Beau Miles. Städte wie Den Haag starten SUP-Cleanup-Aktionen mit Brett und Community. Wie viel sinnvoller und günstiger willst du deinen Nachmittag verbringen?

Warum — und wo meine Reise begann

Meine Motivation, Konsum zu hinterfragen und Minimalismus ernster zu nehmen, lässt sich auf zwei Schlüsselmomente zurückführen. Klar, Umzüge helfen — besonders, wenn man sie mit dem Rad macht. Es sind diese Lebens-Iterationen: Bauen, messen, lernen. Divergieren, konvergieren. Recherchieren, kaufen, überdenken, verkaufen. Das Leben ist nicht linear — sonst wäre es eine langweilige Achterbahn.

Ereignis 1: Zwei Haushalte werden einer (Physischer Kram = Kopfrauschen)

Ich bin umgezogen — und plötzlich war da sehr viel Zeug. Peak-Panik. Ich habe gemerkt, wie physischer Raum mentalen Raum frisst.

Ereignis 2: Leben im Ausland mit Rucksack, Laptop und Fahrrad

Was die Digitalnomad:innen predigen, sind Colivings: möblierte, monatlich buchbare Häuser mit Küche, Coworking, Radabstellraum, Werkzeugschuppen, Waschraum, Reinigung. Ein Zuhause fern von Zuhause. Keine Bevormundung, kein 9‑Uhr-Klopfen. Social auf Abruf — wenn du willst. Perfekt, um zu machen statt zu managen.

Mein Fazit: Neben 8 Stunden Arbeit und wiederentdeckter Kochlust hatte ich in Valencia vollgepackte Tage — morgens wie abends.

Wenig Dinge zu managen = freier Kopf.

Zurück im vollen Zimmer habe ich mich gefragt, was mir wirklich gefehlt hat:

  • Externer Monitor? Ich arbeite inzwischen fokussierter mit einem 16"‑Screen. Auch Pieter Levels sagt: Ein Screen holt dich näher an die Werkzeuge — wie eine Motorhaube, die offen bleibt.
  • Kleiderschrank? Zwei Outfits reichen. Ein Shirt pro Tag, wöchentlich waschen. Im Coliving lebten viele so — und mir wurde klar: Ich trage zu Hause nur 10% meiner Kleidung. Heute kaufe ich selektiver. Mein Lieblingskauf: eine Denim-Weste mit Innentaschen für Kindle und Wasserflasche. Seitdem täglich im Einsatz.
  • Bücherregal? Ich habe mehr gelesen denn je — weil der Kindle immer griffbereit war.

Für mich ist die Wahl klar: Ent-zetteln wir uns von Dingen, die managen wollen — und uns dadurch langsam und arm halten.

Geh langsam, geh klein, scale down. Sammle nicht mehr Physis an, als dein Kopf managen will. Was du in den Keller oder die Garage stellst, stellst du auch in deinen Kopf.

Ich habe noch einen Artikel über die Power of Tiny geschrieben — warum kompakte, vielseitige Gestaltung und Architektur uns guttun.

Unterm Strich: Die Industrie möchte uns ablenken — nicht hinterfragen. Da rauszukommen ist schwer. Aber irgendwer muss anfangen. Ein guter Start: Podcasts hören, während man Dinge loslässt.

Und vielleicht reicht fürs Erste ein einziger Podcast ⤵️

https://www.theminimalists.com/podcast/